Eine Schwachstelle des MB100 ist die Vorderachse. Bereits beim Kauf war das Fahrverhalten so unterirdisch, dass hier eine Baustelle zu vermuten war. Regelmäßiges Abschmieren ist lebenswichtig für das Fahrzeug. Dass die Vorbesitzer es damit nicht so genau genommen haben, zeigte mein erster Abschmierversuch. Auch mit massivem Druck auf der Fettpresse ließ der vordere Schmiernippel am oberen Querlenker auf der linken Seite kein Fett mehr durch.
Auf einer der ersten Touren im Jahr 2021 fing dann die Bremse rechts vorne an zu riechen und sich zu erhitzen. Das verschwand dann zwar wieder, aber damit war auch klar, dass die Baustelle etwas größer werden könnte.
Nach dem Aufbocken und der Demontage der Räder konnte man gut sehen, warum das Fahrverhalten sehr gewöhnungsbedürftig und die Schmierstelle verstopft war: Der obere Querlenker war einfach fest, federte also nicht mehr aus. Im Nachhinein betrachtet ist es ein Wunder, dass das Auto überhaupt noch zu fahren war – das Fahrwerk hing vorne links massiv durch.
Erste Schritt der Reparatur war die Demontage. Ein Satz bedingt zirka zwei Wochen Arbeit. In meinem Fall wollte sich der linke Drehstab nicht von seinem angestammten Platz bewegen. Kriechöl, Hitze und Kälte, Abzieher und Vorschlaghämmer halfen nicht. Im MB100-Forum machte man mir Mut dran zu bleiben. Bohrungen in die vorderen Aufnahmen der Drehstäbe durch die ich Kriechöl in die Verzahnung pumpen konnte, brachten schließlich den Durchbruch.
Nun ging es also endlich weiter: Querlenker und Drehstäbe raus, alle Teile begutachten, reinigen und wieder zusammenbauen war der Plan.
Da schon mal alles so schön frei lag, habe ich den Rohrrahmen im vorderen Bereich entrostet. Insbesondere die Schweißnähte der Konsolen und Befestigungspunkte waren befallen. Grober Rost wurde mit dem Nadelentroster entfernt, Restrost mit Brunox umgewandelt und schließlich mit zwei Schichten Brantho Korrux 3in1 versiegelt. Das Ganze gewinnt sicher keinen Schönheitspreis. Mir ging es darum, den Rost zu stoppen. So bald das auch noch mit dem hinteren Teil des Rahmens gemacht wurde, bekommt der komplette Rahmen eine Seilfett-Dusche. Optisch wird es dann wieder einheitlich – dreckig-speckig aber zumindest nicht rostig.
Weiter ging es mit den Achsteilen: Querlenker und Achsschenkel bekamen ein Peeling von feinstem Glasgrunulat (fka Sandstrahlen) und wurden ebenfalls in zwei Schichten 3in1 lackiert. Die Bremssättel wurde die gleiche Behandlung zuteil und sie bekamen zusätzlich neue Dichtungen und Manschetten. Die Drehstäbe wurden mit der CSD-Scheibe entrostet und ebenfalls lackiert.
Beim Lackieren von Fahrwerkskomponenten hat es sich bewährt, möglichst kontrastreiche Farbtöne für die unterschiedlichen Schichten zu verwenden. So lassen sich Fehlstellen in den Schichten vermeiden.
Der linke Achsschenkel musste durch ein besseres Gebrauchtteil ersetzt werden, da der Sitz des inneren Lagerringes stark beschädigt war. Glücklicherweise ließ sich kurzfristig Ersatz auftreiben.
Jede Menge Verbundarbeiten kamen hinzu, um den allgemeinen Wartungsstau zu beheben:
- Bremsschläuche hinten und vorne (präventiv, da die gerne zuquellen)
- Radbremszylinder hinten (da Entlüftungsnippel beim Öffnen abgerissen ist)
- Bremsscheiben und Belege (verfärbt wg. klemmenden Bremsen)
- Radlager (vermutlich unnötig, da noch nicht alt – aber wenn eh alles offen/ab ist)
- Antriebswellen (Dichtflächen zum Achsschenkel verschlissen)
- Simmerringe Getriebe und neues Getriebeöl (da leicht undicht)
- Staubmanschetten der äußeren Spurstangen (waren gerissen)
- Mittlere Spurstange (Manschetten waren kaputt und ließen sich nicht tauschen, da verpresst)
- Stoßdämpfer (präventiv nach 30 Jahren)
- Felgen entrosten und lackieren (notwendig für H-Kennzeichen)
Der Zusammenbau war dann schon fast entspannend. Die meisten Kleinteile kann man noch ganz einfach bei Mercedes bestellen – nicht billig aber auch nicht übertrieben teuer. Bei Aftermarket-Teilen lohnt sich immer der tagesaktuelle Preisvergleich, da die Preise massiv schwanken. Z.B. kann man für einen Radlagersatz (SKF VKBA 3404) wahlweise rund 40 oder über 100 Euro ausgeben.
Die zusätzlichen Löcher in den vorderen Drehstabaufnahmen wurden mit einem M6-Gewinde versehen und einer entsprechenden Schraube verschlossen. Auch habe ich alle Aufnahmepunkte großzügig mit FluidFilm-Gel gefüllt.
Auf der Zielgeraden gab es dann noch ein unvorhergesehenes Problem: Die Vorderräder erzitzten sich. Zuerst hatte ich die neuen Radlager als zu stramm eingestellt in Verdacht. Jedoch brachte ein erneutes Zerlegen und Einstellen keine Besserung. So blieben nur noch die Bremsen. Ein Infrarottermometer brachte Gewissheit: Die Bremsen waren die Verursacher. Etwas besser wurde es, nachdem ich die die Bremsättel noch mal komplett demontiert, gereinigt und die Kolben poliert habe. Jedoch sollte man es mit Kolbenfett und Polieren nicht übertreiben. Wenn die Kolben zu gut ‚flutschen‘, findet beim Entlasten der Bremse keine Rückstellung statt und die Belege liegen immer leicht an.
In meinem Fall, hat sich das Problem schleichend behoben und nach zwei Wochen Urlaub wurde dann gar nichts mehr warm.
Der gesamte Spaß hat rund 700 Euro an Teilen und Verbrauchsmaterial + 100 Euro für den Spezialabzieher (W631589063300) gekostet. Nicht auszudenken, was vergleichbare Aktivitäten in einer Fachwerkstatt gekostet hätten.
Mein Dank gebührt den Mitgliedern des MB100-Forum sowie den Autoren der MB100-Werkzeugkiste für die hervorragende Unterstützung und natürlich meiner Familie, die nicht die Geduld verliert, wenn es mal wieder später als geplant in den Urlaub geht.