Kurzform:
Am Altbau 14 Fenster in Eigenleistung inklusive KFW und Denkmalschutz getauscht. Viel Arbeit aber am Schluss alles gut :-).
Langform:
Wie es halt so ist: Man kauft ein altes Haus, saniert und werkelt fleißig und irgendwann steht die Frage an, was man mit den Fenstern macht. In unserem Fall ‚zierte‘ unser Haus mehrere Epochen: Meranti aus den 80ern, Kunststoff aus den 90ern. Alles in braun und funktional eingepasst. Zwei originale Elemente waren erhalten geblieben und zeigten eindrucksvoll, welchen Glanz das Haus anno 1898 mit Fenstern in weißem Holz, Kreuzteilung und Stilbogen gehabt haben musste.
Wenn nicht jetzt, wann dann? Das fragten wir uns im Jahr 2017, ein Jahr bevor unser Haus stolze 120 Jahre alt geworden ist. Es standen diverse Innenarbeiten an und da kann man dann ja mal schnell die Fenster mittauschen…
Die erste Station war das Amt für Denkmalschutz. Unsere Straße steht unter sogenanntem Ensembleschutz. Das Amt genießt also Mitspracherecht bei der Gestaltung von Fassade und Dachflächen. Die Auflagen waren schnell zusammengefasst: Kein Plastik und weiß. In Gedanken ging ich unsere Straße entlang und zählte die dazu passenden Fenster. Zumindest war ich schnell fertig…
Unsere Idee ging noch deutlich weiter: Fenster, die dem Original so nah wie möglich kommen – das war der Plan. Schnell wurde klar, dass der Aufwand und die Kosten dafür hoch sein würden. Im Altbau wurden Fenster für möglichst hohe Lichtausbeute in den Putz gesetzt. Die Fenster neueren Datums einfach von innen in die Nische geschoben und die Stilbögen durch Rollladenkästen verbaut.
Insgesamt ergaben sich viele Unwägbarkeiten, die die Vergabe an einen Fensterbauer inklusive Einbau unkalkulierbar machten (O-Ton: Das rechnen wir für Sie gerne auf Stundenbasis ab…). So entschieden wir uns, den Wechsel selbst vor zu nehmen und demnach nur Angebote für die Fensterelemente ein zu holen.
Nach einem groben Überschlag der Kosten war klar, dass wir Fremdmittel brauchen würden. Der Plan war Finanzierung über KFW Energieeffizient Bauen (Einzelmaßnahme) Denkmal, einen Zuschuss vom Denkmalschutz beantragen und die Kosten dann von der Steuer ab zu setzen. Um es kurz zu machen: Das hat alles einwandfrei funktioniert. Trotzdem war es ein wahrer Spießroutenlauf zwischen Amt für Denkmalschutz, KFW, Hausbank und Energieberater, bei dem die Zeit vergeht, wie im Flug.
Das erste Angebot datiert vom März 2018, im September konnten wir mit dem Einbau beginnen und die Fertigstellung wurde der KFW im April 2019 gemeldet. Bis wir die kostenpflichtige Bescheinigung der unteren Denkmalschutzbehörde in Wiesbaden endlich vorliegen hatten (für die Steuererklärung 2018) wurde das Finanzamt schon recht aufdringlich…
Vom Angebot zum Auftrag
Los ging es mit einem Zimmereibetrieb aus der Region, der in der Nachbarschaft gute Arbeit abgeliefert hatte. Das Angebot viel erwartungsgemäß teuer aus und so begannen wir über den Tellerrand zu schauen. Polen, Tschechien und natürlich überall in Deutschland. Schnell war das grobe Preisgefüge klar: Süddeutschland deutlich teurer als Ostdeutschland und bei unseren osteuropäischen Nachbarn dann noch geringfügig günstiger. Nun mussten Details vergleichen werden: Profile, Holzarten, Oberflächenbehandlung, Referenzen und vieles mehr. Dazu noch einige Soft-Faktoren: Wer macht das Aufmaß, wie erfolgt Zahlung und Lieferung, was wenn etwas nicht passt?
Grundsätzlich muss man sagen, dass die Suche nach Herstellern solch speziellen Fensterelemente einige Fallstricke aufweist. Viele Firmen vertreiben Fenster, die wiederum von anderen Firmen hergestellt werden. Meist sind die Preise dann höher (Mage) und die Mitarbeiter sind reine Vertriebskräfte, die beim Stellen von Detailfragen recht schnell ins Schwimmen kommen. Solche Händler habe ich innerhalb von 30 Sekunden am Telefon identifiziert und aussortiert.
Die Suche erfolgte primär im Internet. Mehrere weitere lokale Anfragen blieben leider unbeantwortet, obwohl es bei 14 Elementen sicher um keinen ganz kleinen Auftrag ging. Nach einiger Zeit und einigen Telefonaten blieben zwei Angebote übrig. Zuletzt haben wir uns für den Anbieter aus Deutschland entschieden, der keine Vorauskasse verlangte und im telefonischen Kontakt stets seriös und professionell aufgetreten ist. In diesem Status haben sich die Angebote finanziell kaum noch unterschieden. Auch war dieser Anbieter in der Lage etwas schmalere Profile herzustellen, die sehr dicht an die originale Optik der 1-fach verglasten Fenster herankommt. Außerdem haben wir uns aus Gründen der Haltbarkeit für Eichenholz entschieden.
Messen und Warten
Vor dem Aufmaß erfolgte die finale Abstimmung mit dem Energieberater, der bei KFW-Finanzierungen ja immer mit im Boot ist. Natürlich wollten wir beim Einbau Fehler vermeiden, was bei historischer Bausubstanz gar nicht so einfach ist. Regeln wie ‚Innen dichter als außen‘ gilt es zu beachten und es stellte sich die Frage, wie der Anschluss an die massiven Sandstein-Fensterbänke erfolgen sollte. Die folgenden Fotos veranschaulichen die Einbausituation.
Es folgte das Aufmaß, das in enger Abstimmung mit dem Hersteller erfolgte. Gar nicht so einfach, wenn die alten Fenster noch eingebaut sind. Also wurde ein Fenster ausgebaut, was sich insbesondere im Hinblick auf die Höhe der Elemente bewährt hat. Zuvor war es unmöglich zu wissen, wo genau der Sturz sitzt und wie viel Platz um den Anschlag sein würde. Es versteht sich von selbst, dass ich x-mal gemessen habe. Dabei war ein handlicher Laser-Entfernungsmesser sehr hilfreich. Auch fertigte ich folgende Excel-Tabelle an, die mir aus den Messwerten die Größe der Elemente errechnete:
Zur Tabelle ist ergänzend zu sagen, dass die Blendrahmen bei uns (je Seite) 60mm breiter und 50 mm höher hergestellt wurden, als das Lichte Maß und zusätzlich ein Abstand von 5mm zur Sandstein-Fensterbank eingehalten wurde. Beim Kämpferprofil wurde je Seite 5mm Luft gelassen, was sich bewährt hat. Und da ein altes Haus nun mal (Gott sei Dank) nicht überall kerzengerade ist, haben wir die Maße an mehreren Stellen genommen und den jeweils kleinsten Wert verwendet. Das Verhältnis zwischen Oberlicht und unteren Flügeln (1:2) berechnete ich Anhand eines der originalen Fensterelemente.
Der Hersteller lieferte Schnitte der Profile, die ich maßstabsgerecht ausdruckte und beim Maßnehmen entsprechend ausrichtete. Die Maße wurden zum Hersteller geschickt und dieser erstellte das Detailangebot mit allen Schnitten und Maßen. Diese galt es dann penibel zu prüfen und tatsächlich schlich sich bei den ganzen Zahlen auch ein Fehler ein, der später ein unpassendes Element zum Ergebnis gehabt hätte.
Kurz haben wir uns überlegt, die Fenster selbst ab zu holen, um die Transportkosten zu sparen, jedoch haben wir diese Idee angesichts des Gewichts von ca. 100 kg pro Fenster schnell wieder verworfen.
Nun galt es einige Zeit zu warten, bis die Fenster tatsächlich hergestellt und geliefert wurden. Diese Zeit nutzten wir und bauten im Erdgeschoss weitere vier Fenster aus. So waren 5 Öffnungen vorhanden, die wir in Richtung Straße mit der Seitenwand eines Partyzeltes verdeckten. Nun galt es die inneren Anschläge und die Laibungen vor zu bereiten. Nach Herausnahme der alten Fenster klafften dort große Lücken und die Anschläge aus gelbem Klinker waren teils sehr uneben. Nach einigen Versuchen entschieden wir uns für den Ausgleich der Anschlagsflächen mit Kalk-Haftputz (Hessler HP14), was sehr gut funktioniert hat. Die Laibungen wurden ebenfalls mit Kalkputz bei geputzt, wobei natürlich genug Platz für die Fenster gelassen wurde.
Lieferung und Einbau
Dann kam der große Tag and dem der LKW vor dem Haus stand und zwei gigantische Holzkisten ablud. Spätestens jetzt war ich heilfroh, dass wir die Fenster nicht selbst abgeholt haben.
Los ging es mit den Elementen im Erdgeschoss, um das Haus möglichst schnell wieder dicht zu bekommen. Die Schritte kurz zusammengefasst:
- Bewegliche (untere) Flügel aus dem Rahmen nehmen
- Positionen der Rahmenschrauben markieren
- Rahmen einsetzen, seitlich mit Keilen und unten mit Blättchen ausrichten
- Von außen mit Bleistift die Laibungsform auf den Rahmen übertragen
- Bei feststehendem Oberlicht (wie bei uns der Fall) Hessenkrallen befestigen
- Kompriband entlang der Bleistiftlinie kleben
- Rahmen erneut einsetzen, seitlich mit Keilen und unten mit Blättchen ausrichten
- Prüfen ob die Position des Kompribandes stimmt
- Mit 7er Holzbohrer durch den Rahmen bohren
- Mit 6er Steinbohrer (Länge passend zu den Schrauben) in die Mauer bohren
- Fensterrahmenschrauben setzen
Natürlich gibt es auch andere Montagemöglichkeiten. Manche bohren ungern die Rahmen an, sondern verwenden überall Hessenkrallen. Wir haben uns für die Rahmenschrauben entschieden, weil es auf uns einen stabileren Eindruck gemacht hat.
So wurde ein Fenster nach dem anderen eingebaut, was natürlich etwas Zeit in Anspruch genommen hat. Die Beschläge/Griffe haben wir zufällig günstig bei einem lokalen Händler für historische Baustoffe gefunden. Es sind zwar Repros, passen aber perfekt, wie wir finden. Original waren sehr ähnliche beidseitige Oliven verbaut, bei denen man aber nicht zwischen der Kipp- und Zustellung unterscheiden kann. Deshalb hier diese Abweichung vom Original.
Abdichtung und Finish
Weiter ging es mit den unteren Anschlüssen zu den Fensterbänken und der Abdichtung nach innen. An den Laibungen musste teilweise noch etwas Putz abgenommen werden, um genug Platz für das Anschlussband zu haben. Der Spalt zwischen Fenster und Wand wurde mit Stopfhanf gefüllt. Das Anschlussband wurde mit einem Spezialkleber mit dem gesäuberten Mauerwerk verklebt und diente dann als Putzträger. Der Platz war teilweise doch sehr beengt und nun war nachvollziehbar, warum sich viele Handwerker nicht gerade nach solchen Arbeiten reißen. Die Stilbögen wurden mit 8mm starken Heraklithplatten rekonstruiert, die später als Putzträger dienen sollten. Die Unterfütterung zu den Holzstürzen entpuppte sich als recht langwierige Arbeit. Die Hohlräume wurden im Anschluss mit Stopfhanf gefüllt und auch raumseitig mit Heraklith verkleidet. Die Platten werden wohl inzwischen leider nicht mehr hergestellt (Stand: 10-2020). Das ist schade, denn gerade die dünnen Platten ließen sich angefeuchtet sehr schön in die Rundung biegen.
Nun waren die Fenster technisch fertig eingesetzt, überall dicht, aber natürlich an den Anschlüssen innen noch nicht schick. Es folgte das Finish. Wir verarbeiten überall reinen Kalkputz. Den Unterputz rühren wir selber an (aus Sand, Kalkhydrat und Wasser). Als Oberputz verwenden wir Hessler-Kalkputz (HP-9), der ein wunderbar rustikales Finish erzeugt. Geweißt wird mit Auro Sumpfkalkfarbe (326) in zwei Schichten.
Selbstverständlich haben wir die Stein-Fensterbänke aus den 70ern nicht wieder verwendet stattdessen haben wir uns für Eichenbretter mit Baumkante entschieden. Dazu haben wir ausreichend trockene, rohe Bohlen gekauft, auf Maß gesägt und dann geschliffen. Splint haben wir teilweise belassen, wenn es von der Optik her stimmte und Fraßlöcher nur gekittet. Auf der Unterseite haben wir einen Entspannungsschnitt gesetzt und Holzklötzchen verleimt (inklusive Flachdübeln), mit denen die Bänke an den Holzvertäfelungen verschraubt wurden. Da wir keinen Dickenhobel besitzen und auch nicht zu viel Material verlieren wollten, haben wir in Kauf genommen, dass nicht alles absolut gerade ist. Wir finden, es passt zum Gesamtbild. Sollten sich die Bänke noch verwerfen, lassen sie sich relativ einfach austauschen, da sie bewusst nicht in den Putz gesetzt wurden. Zuletzt wurden die Bänke von oben mit Kreidezeit Fußbodenöl behandelt.
Fazit
Ob man ein solches Projekt beginnt, wenn man zuvor wüsste, wie viel Arbeit es unter dem Strich macht, ist immer eine gute Frage. Vermutlich nicht. Sicherlich ein Grund dafür, dass sich viele Hausbesitzer für einfachere Lösungen entscheiden. Aber jeder Blick von außen, innen oder durch die Fenster ist nun eine wahre Freude und was will man mehr? Das gute Gefühl, dem Haus ein Stück seiner Würde und Originalität zurück gegeben zu haben sowie das viele positive Feedback, dass wir bekommen haben freut uns sehr.
Und auch der Denkmalschutz war begeistert und steuerte 1.500 € als Zuschuss bei. Die Übergabe erfolgte durch Frau Sauerwein und den Kreisabgeordneten Matthias Walther, worüber dann auch die lokalen Zeitungen berichteten.
Danke
Bei so einem Projekt braucht es viele Helfende Hände. Herzlich möchte ich mich bei den Nachbarn bedanken, die beim Ausladen der Fenster angepackt haben, dem Amt für Denkmalschutz in Friedberg (Frau Sauerwein), und unserem Energieberater.
Ganz besonderer Dank gilt meinem Vater, der von Anfang bis Ende immer zur Stelle war, wenn er gebraucht wurde und meiner Familie, die tatkräftig mit angepackt hat, Dreck, Lärm und mein ständiges Fachsimpeln erträgt.
P.S.: Die Fenster im Dachgeschoss werden natürlich auch noch getauscht, wenn diese Etage an der Reihe ist.